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Home // Wissenschaftliche Sammlungen // Fundstücke aus dem Archiv // 25 - Ernst Thälmann als Namenspatron
Fundstück Nr. 25 vom August 2024 - von Paul Perschke

Thälmann-Platz und Thälmann-Straße. Ernst Thälmann als Namenspatron im ostdeutschen Stadtbild

Im August 2024 jährte sich der Todestag von Ernst Thälmann zum 80. Mal. Der Kommunist, von 1925 bis zu seiner Inhaftierung nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten im Jahr 1933 Vorsitzender der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) und Mitglied des Reichstages, wurde als prominenter und von der Sowjetunion goutierter Vertreter des Kommunismus am 18. August 1944 nach elfjähriger Haft im Konzentrationslager Buchenwald ermordet, also lange bevor die Geschichte der DDR begann.

Der Name Ernst Thälmann ist jedoch bis heute in vielen Orten und Städten auf dem Gebiet der ehemaligen DDR präsent. Der sozialistische Staat auf deutschem Boden legitimierte sich spätestens seit seiner Gründung 1949 nicht zuletzt durch die Berufung auf Persönlichkeiten der Arbeiter*innenbewegung, des Kommunismus und des antifaschistischen Widerstandskampfes. Neben Karl Marx, Friedrich Engels, Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg, wurde besonders Ernst Thälmann idealisiert, vereinte er als Vertreter der Arbeiter*innenklasse, späterer Kommunistenführer und Opfer des Naziterrors gleich alle drei Attribute auf sich, die später zu den tragenden, ideologischen Fundamenten der DDR wurden. Das Bild Thälmanns als eine Art Gründungsvater der DDR versuchte die SED über Jahrzehnte, durch verschiedenste Würdigungen überall auf dem Gebiet der DDR gesellschaftlich zu verankern. So erhielten neben Schulen, Betrieben und Organisationen auch Stadien, Parks, Freizeitanlagen oder Wohnsiedlungen Thälmanns Namen. Die Benennungen sollten demnach nicht nur an Thälmanns Leben erinnern, sondern auch die Werte des Sozialismus propagieren und eine Verbindung zur Arbeiterbewegung herstellen.

Beitrag von Architekt Gustav Lüdecke zum Wettbewerb für ein Thälmann-Denkmal am Thälmann-Platz (heute Wilhelmstraße und Wilhelmplatz in Berlin-Mitte). Nach einem ersten Ideenwettbewerb 1949 - also noch im Jahr der Staatsgründung der DDR - kamen die Planungen für ein Thälmann-Denkmal in der DDR-Hauptstadt über drei Jahrzehnte zu keinem Ergebnis. Nach mehreren Standortwechseln sah man schließlich im Areal des heutigen Standortes in Berlin-Prenzlauer Berg die Möglichkeit, ein solches Denkmal raumgreifend zu inszenieren.

(IRS Erkner / Wissenschaftliche Sammlungen; Bestand Gustav Lüdecke, Sig. C_13_094-02)

Das Ernst-Thälmann-Denkmal in Berlin-Prenzlauer Berg damals und heute.

Damals: Im April 1986 wurde das monumentale Denkmal des sowjetischen Bildhauers Lew Kerbel eingeweiht. Die Wohnhochhäuser und Wohnzeilen in eigens für den Thälmann-Park angepasster Plattenbauweise sollten, genau so wie die umliegenden Parkanlagen, dem Denkmal als Kulisse dienen und dessen Wirkung optimieren.

(Foto: IRS Erkner / Wiss. Samml.; Bestand Roland Korn, Sig. C66_95-0586)

 

Heute: Das Denkmal und der vorgelagerte Platz haben sich kaum verändert, deren Nutzung hingenen schon. Statt Aufmärschen dient das Denkmal nun als Leinwand für ,,Grafitti-Kunst" und Kulisse für Tanzende oder Skater*innen. Die roten Sockel, die auf dem Platz um das Denkmal angeordnet sind und den Proportionen des Denkmalsockels entsprechen, sind Teil der künstlerischen Kommentierung der Anlage durch die Künstlerin Betina Kuntzsch.

(Foto: Paul Perschke / IRS Erkner, 2023)

In nahezu jeder Stadt gab es eine Ernst-Thälmann-Straße oder einen Ernst-Thälmann-Platz in prominenter Lage und oft mit prominenter Bebauung oder markanten Denkmälern. Viele davon wurden fotografisch dokumentiert, zu einigen befinden sich Planungs- oder Wettbewerbsunterlagen in den Wissenschaftlichen Sammlungen. Eine Auswahl soll hier exemplarisch als Fundstücke gezeigt werden.

 

Nach der Wiedervereinigung wurden viele Straßen und Plätze umbenannt und inzwischen umgestaltet, Denkmäler abgebaut. Andere blieben auch nach jahrzehntelangen Debatten erhalten und stehen heute unter Denkmalschutz. Das bis heute wohl größte und sichtbarste Beispiel sind das monumentale Ernst-Thälmann-Denkmal und die gleichnamige Wohnsiedlung samt großzügiger Parkanlagen, die in Berlin-Prenzlauer Berg errichtet und im April 1986 zu Thälmanns 100. Geburtstag eingeweiht wurden. Das Gesamtensemble gilt bis heute als Höhepunkt des sozialistischen Städtebaus der späten DDR und wurde von den Wissenschaftlichen Sammlungen bereits in einer eigenen (Online-) Ausstellung dargestellt. Die Denkmalanlage ist inzwischen künstlerisch kommentiert und mittels Informationstafeln historisch eingeordnet. Die Diskussionen über Erhalt, Veränderung oder Abriss des Denkmals werden dagegen vermutlich nicht so schnell verstummen.

Zahlreiche weitere nach Thälmann benannte Straßen und Plätze in ostdeutschen Dörfern und Städten erinnern ebenfalls nach wie vor an die nationalsozialistische Diktatur und Gewaltherrschaft und auf ihre Weise auch an die politisch-ideologische Vereinnahmung der Person Ernst Thälmann zu DDR-Zeiten.


Der Riebeckplatz in Halle (Saale) hieß zwischen 1945 und 1991 Thälmannplatz. Er wurde in den 1960er Jahren komplett neu gestaltet und war einer der verkehrsreichsten Plätze der ehemaligen DDR. Die Abbildung zeigt einen Wettbewerbsbeitrag von Gustav Lüdecke zur Neugestaltung des Platzes von 1960. (IRS Erkner / Wiss. Samml.; Bestand Gustav Lüdecke)


Das Freizeit- und Erholungszentrum (FEZ) in Berlin wurde einst als Pionierpark „Ernst Thälmann“ errichtet und bietet bis heute ein vielfältiges und beliebtes Sport-, Kultur- und Freizeitprogramm (Foto: IRS Erkner / Wiss. Samml.; Bestand Roland Korn)


Die Wilsdruffer Straße in Dresden hieß zwischen 1954 und 1991 ebenfalls Ernst-Thälmann-Straße. Hier befindet sich bis heute der Kulturpalast und Bebauung im Stil des sozialistischen Klassizismus. Andere Bauten der so genannten Ostmoderne wurden dagenen abgerissen. (Foto: IRS Erkner / Wiss. Samml.; Bestand Lothar Willmann)


Der ,,Plan der Flächenbilanz" zeigt die Verwendung von Freiflächen rund um die zentrale Ernst-Thälmann-Straße (heute: Marktberg) und den Ernst-Thälmann-Platz in Prenzlau. Auch andere Straßen erhielten DDR-typische Bezeichnungen wie die Karl-Liebknecht-Straße, die Straße der Jugend, die Straße der Republik oder die Straße des Friedens. Nur letztere hat ihren Namen bis heute behalten. (IRS Erkner / Wiss. Samml.; Bestand ISA, Abt. Wohngebiete)


In Rostock trug der Neue Markt von 1952 bis 1991 den Namen Ernst-Thälmann-Platz. Vor der Kulisse von Giebelhäusern und der Marienkirche diente der Platz lange Zeit vornehmlich als Parkplatz. (Foto: IRS Erkner / Wiss. Samml.; Bestand Hans Bogatzky)

Ein zentrales Element des umgestalteten Thälmannplatzes in Halle (Saale) war das ,,Monument der revolutionären Arbeiter-bewegung" (1970, von Heinz Beberniß, Gerhard Lichtenfeld und Sigbert Fliegel), das 2003 abgerissen wurde. (Foto: IRS Erkner / Wiss. Samml.; Bestand Lothar Willmann)


Auch in Bernau bei Berlin war die Ernst-Thälmann-Straße die zentrale Achse der Stadt. Heute heißt sie Bürgermeisterstraße, an der Bebauung mit Plattenbauten auf der einen und Altbauten auf der anderen Seite hat sich aber nichts geändert. (Foto: IRS Erkner / Wiss. Samml.; Fotobestand ISA)


Die Ernst-Thälmann-Straße in Pasewalk teilt sich heute in die Ueckerstraße, den Neuen Markt und die Prenzlauer Straße auf. Sie bildete zudem die westliche Begrenzung des Ernst-Thälmann-Platzes (heute: Am Markt). Die Abbildung zeigt Vorschläge zur Fassadengestaltung von Wohnbauten in Plattenbauweise an der Ernst-Thälmann-Straße Ecke Roßstraße. (IRS Erkner / Wiss. Samml.; Bestand ISA, Abt. Wohngebiete)


Auch in Neubrandenburg gab es eine Ernst-Thälmann-Straße, die heutige Stargader Straße. Sie verlief in Nord-Süd-Richtung und bildete die östliche Begrenzung des zentralen Karl-Marx-Platzes (heute: Marktplatz) mit dem Haus der Kultur und Bildung. (Foto: IRS Erkner / Wiss. Samml.; Bestand Hans Bogatzky)


Auch in Suhl war der Ernst-Thälmann-Platz, hier am linken Bildrand, der zentrale Platz und wurde für politische Kundgebungen genutzt. Heute trägt er den Namen Platz der Deutschen Einheit. (Foto: IRS Erkner / Wiss. Samml.; Fotobestand ISA)