WBS 70 für die Hauptstadt. Ein Montagehandbuch des Berliner Wohnungsbaukombinats
Den Wohnungsbaukombinaten, die auf Ebene der Bezirke organisiert waren, kam seit ihrer Gründung Ende der 1950er Jahre eine hohe Bedeutung im Bauwesen der DDR zu. Bemerkenswerterweise sind diese volkseigenen Großbetriebe aber bislang nur wenig erforscht. In den Wissenschaftlichen Sammlungen des IRS befinden sich zum einen noch unerschlossene Ausführungsunterlagen zu ausgewählten Projekten des früheren WBK Cottbus (neuer Archivbestand F 2, dazu später einmal mehr), zum anderen Unterlagen zur Geschichte vor allem des WBK Berlin in den Beständen früherer Mitarbeiter*innen. Hierzu zählt etwa der Vorlass von Hartmut Pautsch (geb. 1941; Bestand C 84), der vor Kurzem auch für die Ausstellung über die Planungsgeschichte des Ernst-Thälmann-Parks in Prenzlauer Berg herangezogen wurde. [1]
Umfangreiches Material erhielt das IRS dankbarerweise auch von Karl-Heinz Schönbeck (geb. 1929), der jahrzehntelang als Forschungsingenieur im Berliner WBK tätig war. Nicht zuletzt war er dort bis 1990 auf verschiedenste Weise mit der Adaption der Wohnungsbauserie 70 (WBS 70) befasst; dieser wichtigste Plattenbautyp der DDR wurde in den Wohnungsbaukombinaten häufig variiert. So arbeitete Herr Schönbeck an der Rationalisierung der Montagetechnik, der Erstellung von Bauablaufplänen und später auch der Entwicklung von Teilelementen, eigenen Montageentwürfen für diverse Bauten in Berlin bis hin zur logistischen Planung und Überwachung von Montagearbeiten. [2] Unter den von ihm übergebenen Unterlagen (der noch fein zu erschließende Vorlass trägt die IRS-Signatur C 117) befinden sich unter anderem zahlreiche Broschüren, Faltblätter, Erzeugniskataloge, Dokumentationen zu in Ost-Berlin eingesetzten Plattenbautypen und Fotos. Beim Fund des Monats handelt es sich um ein maßgeblich von Herrn Schönbeck entwickeltes WBS 70-Montagehandbuch von 1978/79.
Das mit ca. 10,5 mal 19,5 cm wirklich handliche ,,Handbuch der Montage WBS 70" [3] enthält im Längsformat und daher überwiegend zweispaltig auf 56 Seiten (hinzu kommen das Deckblatt mit Impressum auf der Rückseite sowie ein unbedrucktes Rückblatt) in prägnanter Form „die wichtigsten Informationen über die Durchführung der Montagearbeit“ (S. 1) mit Schwerpunkt auf der elfgeschossigen Variante WBS 70/11. Vervielfältigt von der betriebseigenen Druckerei und durch drei Heftklammern zusammengehalten, ist es durchgängig in grüner Farbe gedruckt und richtet sich laut dem Vorwort vor allem an die „Kollegen der Produktion und alle[ ], die sich in Qualifizierung befinden“. Es ist damit auch eine Art kleines Lehrbuch, das in Kurzform das nötige Wissen und die wesentlichen Bestimmungen versammelt und bequem in jede Tasche passte, auch und gerade auf Baustellen.
Das Handbuch enthält knappe Erläuterungen (in kurzen Sätzen) zu den wesentlichen Aspekten und Arbeitsschritten der Montage, etliche Schaubilder (unter anderem Schweiß- und Montagepläne, Belade- und Baustellenschemata) sowie Kennziffern und nennt die zahlreichen maßgeblichen technischen Bestimmungen. Auch für den Laien wird anhand dessen deutlich, welch ein komplexer, voraussetzungsreicher Prozess die Montage der Plattenelemente war – deren Darstellung in komprimierter Form eine Leistung eigener Art darstellt. Heute ist Herr Schönbeck, der viel Interessantes (nicht nur) aus seiner Zeit im WBK zu berichten weiß, stolz darauf, dass seine Enkelin bereits in vierter Generation (erst zwei Männer, dann zwei Frauen!) im Bauwesen tätig ist und ebenfalls Bauabläufe plant.
Anmerkungen
[1] Vgl. in der Onlineversion der Ausstellung unter anderem die Seite thaelmann-park.berlin/einrichtungen.
[2] Über seine reichhaltigen Erfahrungen mit den unterschiedlichen Plattenbautypen, die in Berlin zum Einsatz kamen, berichtet Karl-Heinz Schönbeck in gereimter Form in Roland Enke u. Ulrich Giersch (Hgg.), Plattenbauten in Berlin. Geschichte, Bautypen, Bauprojekte, Kunst, Propaganda, Berlin 2013, S. 20–23. Siehe in seinem Vorlass auch seine zweiseitige Zusammenstellung von 2004 über seine wesentlichen Arbeitsstationen und -felder, ergänzt um Fotokopien zahlreicher Fotos, Grundrisse, Fassadenschemata etc. in dem privat vervielfältigten, von ihm redigierten Heft Berlin baute auf. Wir waren dabei (1953 bis 1998). Die Absolventen der Vereinigten Ingenieurschule (VIS) von Berlin (Jahrgang 1953), Berlin o.J. [ca. 2004], S. 47–60.
[3] Angaben im Impressum (vor S. 1): Herausgeber: VEB WBK Berlin; Redaktion: VEB Projektierung [im VEB WBK Berlin], Produktionsbereich Bautechnologie; Gestaltung: VEB WBK Berlin, Produktionspropaganda; Druck: VEB WBK Berlin, Kleinoffsetdruckerei; Redaktionsschluss: Oktober 1978 [wobei auf S. 7 schon der „Produktionsauslauf 1979“ erwähnt wird, daher die angenommene Datierung 1978/79]. Nur im Bestätigungsvermerk auf S. 2 werden mit vier unterschreibenden Führungspersonen des WBK konkrete Namen genannt.