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Home // Wissenschaftliche Sammlungen // Fundstücke aus dem Archiv // 26 - Bildermappe Märchenbrunnen
Fundstück Nr. 26 vom Februar 2025 - von Lena Will

Bildermappe „Der Märchenbrunnen im Friedrichshain zu Berlin“

Der Märchenbrunnen im Volkspark Friedrichshain

 

Der Märchenbrunnen im Volkspark Friedrichshain, von Ludwig Hoffmann entworfen und 1913 eröffnet, ist nicht nur ein kunst- und architekturhistorisch wertvolles Bauwerk, sondern gilt auch als Symbol für den Bildungsanspruch der Wilhelminischen Ära. Schon zu Hoffmanns Lebzeiten als Stadtbaurat wurden seine Werke von der Kunstkritik gelobt und als „Inseln des guten Geschmackes“[1] bezeichnet. Der Architekt selbst wurde als Philanthrop dargestellt, der mit seiner Architektur dem Volk Zugang zu Ästhetik und Bildung ermöglichen wollte. Den Bauwerken Ludwig Hoffmanns wurden auch in der DDR, sowie nach der Wiedervereinigung von Berlin viel Anerkennung geschenkt und ihre Denkmalwürdigkeit umfassend behandelt.[2]

 

Der Märchenbrunnen am westlichen Eingang des Volksparks Friedrichshain verbindet Natur und Kultur auf einzigartige Weise. Figuren aus Grimms Märchen, kunstvoll gestaltete Wasserspiele und eine klare, elegante Symmetrie machen die Brunnenanlage zu einem einladenden Schwellenort, der die Parkbesuchenden von der Hektik der Straße in die ruhige Natur des Parks führt. Mit den Skulpturen für die Anlage waren die Bildhauer Ignatius Taschner, Georg Wrba und Josef Rauch beauftragt.

 

Der Bilderband Der Märchenbrunnen im Friedrichshain zu Berlin

 

1914, ein Jahr nach der Einweihung des Märchenbrunnens, veröffentlichte Ernst von Brauchitsch den Bilderband „Der Märchenbrunnen im Friedrichshain zu Berlin“, ergänzt durch eine Einleitung des Kunstkritikers Max Osborn [pdf]. In dieser wird die Brunnenanlage detailliert beschrieben und die Intentionen von Ludwig Hoffmann als Architekt des Bauwerks erläutert. Die im Verlag für Kunstwissenschaft erschienene Leinenmappe enthält 50 sorgfältig gestaltete Lichtdrucke, die auf dunklen Kartons montiert sind. Die Bilder sind so arrangiert, dass sie die Betrachter*innen auf einen visuellen Spaziergang durch den Park mitnehmen.

Abb. 1: Frau Holle (Originaltext: Architekt Ludwig Hoffmann. 48. Heckenweg. Bildhauer Georg Wrba.)

Von der Friedenstraße laufen die Besuchenden auf die Figur von Frau Holle zu, welche hier nicht den Märchen der Gebrüder Grimm entspricht, sondern den nordischen Sagen

Die Fotografien zeigen einzelne Elemente des Märchenbrunnens und umfassen kunstvoll inszenierte Szenen mit Kindern, die als Teil der Gesamtkomposition positioniert wurden. Kindergruppen sind am Brunnenrand abgebildet, während sie das Wasser oder die Figuren bestaunen, auf Bänken lesen oder vor den mächtigen Hermen stehen.

 

Der Bilderband veranschaulicht die Möglichkeiten der Nutzung dieser Anlage und führt die Leser*innen anhand der Fotos durch sie hindurch. Das Werk wird in der Berliner Architekturwelt 1915 vorgestellt als eine Gelegenheit, „in der Stille des Zimmers […] fast noch reiner als unter dem Kinderlärm im Friedrichshain“[3] den Brunnen sehen zu können. Mit der Illustration des Märchenbrunnens werden demnach auch die Menschen erreicht, die nicht in den Volkspark kommen. Somit kann der Märchenbrunnen unabhängig von der räumlichen oder sozialen Position betrachtet werden.

 

Die Fotomappe des Märchenbrunnens ist eine bedeutende Dokumentation, die das ursprüngliche Erscheinungsbild und die gestalterischen Absichten dieses Bauwerks bewahrt. Sie diente unter anderem als Grundlage für die denkmalgerechte Rekonstruktion des Brunnens. Die ursprüngliche Brunnenanlage wurde im Zweiten Weltkrieg stark beschädigt und wurde von 1950 bis 1951 in vereinfachter Form wiederaufgebaut.[4] Seitdem war der Märchenbrunnen ständigem Vandalismus ausgesetzt, sodass zahlreiche Reparaturen erforderlich waren. Der Bilderband half bei der letzten denkmalgerechten Wiederherstellung des Brunnens nach dem Vorbild Hoffmanns im Jahr 2007.[5]

 

Die vollständige Bildermappe ist heute Teil der Handbibliothek der Wissenschaftlichen Sammlungen. Sie wurde bei der Umstrukturierung und Zusammenführung von mehreren Buchkonvoluten wiederentdeckt und war zuvor Bestandteil der wissenschaftlichen Bibliothek der Abteilung Theorie und Geschichte unseres Vorgänger-Instituts für Städtebau und Architektur (ISA). Dieses außergewöhnliche „Archiv-Fundstück“ hält nicht nur die Vergangenheit lebendig, sondern inspiriert auch heute noch. Es verdeutlicht, wie Bauwerke weit über ihre physische Präsenz hinausgehen können, indem sie symbolische Räume schaffen – Schwellen und Übergänge, die in unserer urbanen Landschaft ihre Wirkung entfalten.

Bilderauswahl

 

Die architektonischen Elemente, die dekorativen Skulpturen und die Hermen bestehen aus deutschem Travertin. Der Stein mit seiner groben, porösen Struktur und seinem warmen Ton erzeugt eine warme und schlichte Wirkung. Die Skulpturen wie die Märchenfiguren oder die Kindergruppen wurden aus Euviller Kalkstein hergestellt. Der feine Kalkstein eignet sich gut für eine detailreiche Bearbeitung der Figuren. Es besteht also ein Kontrast zwischen dem groben warmen und dem feinen kühlen Stein auf der Anlage.

Abb. 2: Herm (Originaltext: Architekt Ludwig Hoffmann. 47. Rübezahl. Bildhauer Gerorg Wrba.)

Abb. 3: Märchenfigur, hier: Der gestiefelte Kater (Architekt Ludwig Hoffmann. 15. Der gestiefelte Kater. Bildhauer Ignatius Taschner.)

Abb. 4: Dekoratives Kind (Originaltext: Architekt Ludwig Hoffmann. 44. Dekorative Gruppe. Bildhauer Georg Wrba.)

Auch eine inhaltliche Trennung der Brunnenanlage ist zu sehen: Während am Märchenbrunnen die Grimm‘sche Märchenwelt dargestellt ist, sind im hinteren Bereich Kinder- und Tiermotive zu sehen, die der Fabelwelt zuzuordnen sind oder auch rein dekorativ gestaltet wurden.

Abb. 5: Brunnen mit Märchenfiguren (Originaltext: Architekt Ludwig Hoffmann, 11., Brunnenanlage)

Abb. 6: Hinterer Bereich mit Kinder- und Tiermotiven und Putten (Originaltext: Architekt Ludwig Hoffmann, 38. Platz am Rundbrunnen, Bildhauer Georg Wrba)

Die Kinder- und Tiermotive, welche am Runden Platz mit dem Delfinbrunnen zu sehen sind, sind auch ein beliebtes Motiv für Hoffmanns Schulbauten. So konzipierte er Bilder, die schon für Kinder lesbar waren. Meist handelte es sich um Bilder aus Fabeln und Märchen, die Gut und Schlecht sowie Richtig und Falsch gegenüberstellten.[6] Die Kinder- und Tiermotive sowie die Putten waren demnach den Kindern in den Arbeitervierteln vertraut und sollten in den Park zum Spielen einladen. Auf der Anlage sind insgesamt 106 Steinskulpturen zu finden.

Abb. 7: Sitzbank mit Kind (Originaltext: 1. Am Märchenbrunnen)

Abb. 8: Brunnen mit Kindern (Originaltext: Architekt Ludwig Hoffmann. 42. Brunnen. Bildhauer Georg Wrba.)


Literatur

 

[1] Stahl, Fritz: Ludwig Hoffmann, Berlin 1907.


[2] Döhl, Dörte: Ludwig Hoffmann. Bauen für Berlin 1896-1924, Tübingen 2004.


[3] Schliepmann, Hans: „Dies und das“, in: Berliner Architekturwelt, Jg. 17, 1915, S. 217-219


[4], [5] Kähler, Susanne: „Von der Verwandlung des Froschkönigs. Der Märchenbrunnen im Volkspark Friedrichshain“, in: Der Bär von Berlin, 2007, S. 101-122.


[6] Kemnitz, Heidemarie: „,Die erzieherische Mission … ist nie zu verkennen‘. Ludwig Hoffmanns Schulbauten als Sozialisationswelten im Berlin des frühen 20. Jahrhunderts“, in: Sektion Historische Bildungsforschung der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft (Hrsg.): Jahrbuch für Historische Bildungsforschung, Bd. 6, Bad Heilbrunn 2000, S. 193-217.